A.D. 798 - 1998  :::  Das 1200-Jahre-Jubiläum

die Seiten 68 - 74 der Festschrift

Die letzten 185 Jahre in Mittel - „Buchen
von Ernst Gimplinger

In der neueren Zeit konnte Mittelbuchen auf eine ruhige Entwicklung zurückschauen. Napoleon hatte nach seinem letzten Sieg bei der Schlacht von Hanau am 30. und 31. Oktober 1813 seinen Rückzug nach Frankreich angetreten. - An diese Schlacht erinnert in Paris eine Gedenkplatte im Arc de Triomphe. - Nun herrschten 100 Jahre „Frieden“ in Mittelbuchen, wenn man vom Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, an dem 24 Soldaten aus Mittelbuchen teilnahmen, absieht. Die Soldaten kamen allesamt gesund wieder nach Hause. Auch als das Dorf 1866 zu Preußen kam, nachdem es vorher zum Großherzogtum Frankfurt und dem Kurfürstentum Hessen gehörte, gab es hier keine kriegerischen Auseinandersetzungen.

Erst durch den Beginn des 1. Weltkrieges wurde die Ruhe unterbrochen. Am 1. August 1914, um 18.30 Uhr, wurde vom Ortsdiener durch Ausruf die Mobilmachung für den Ersten Weltkrieg bekanntgegeben. 182 junge Mittelbuchener Männer und Väter wurden im Verlauf dieses Krieges eingezogen, 25 davon mußten bei Kampfhandlungen auf den Schlachtfeldern in Frankreich und Rußland ihr Leben für Kaiser und Vaterland hergeben.

Obwohl schon im Mittelalter durch verschiedene Umstände schwer mitgenommen, konnte man sich in Mittelbuchen nicht vorstellen, daß Krieg und Gewalt noch viel schlimmer sein konnte, als man jemals gedacht hat. Im 2. Weltkrieg bekam das Dorf die ganze Wucht dieses Grauens zu spüren. In einer ruhigen Umgebung gelegen, abseits von Hauptver-kehrsstraßen und Schienenwegen, war die Gemeinde Mittelbuchen am 4. Februar 1944 und am 6. Januar 1945 das Ziel schwerer Luftangriffe. Haben sich die Bomberpiloten geirrt und waren der Ansicht, daß sie sich über Hanau befinden?

Jedenfalls haben sie am 4. Februar 1944 in der Gemarkung ca. 500 Sprengbomben abgeworfen. Noch heute werden Bomben gefunden die damals nicht explodierten. Innerhalb des Ortes wurden bei diesem Angriff 4 Häuser vollkommen zerstört und 10 Menschenleben wurden beklagt. Elf Monate später, in den ersten Januartagen 1945, suchte das Elend Mittelbuchen erneut heim. Der Dreikönigstag, der 6. Januar 1945, wird wohl mit Sicherheit in der Geschichte von Mittelbuchen für immer und ewig verzeichnet bleiben. 80 Scheunen und 15 Wohnhäuser wurden total zerstört, 16 Wohnhäuser wurden schwer und über 50 Häuser wurden leicht beschädigt. Menschenleben waren glücklicherweise nicht zu beklagen.



Doch auch dieser furchtbare Krieg ging zu Ende. Die stolzen Mittelbuchener Bürger ließen sich ihre Zuversicht und ihren Mut nicht nehmen. Bereits zum Zeitpunkt der Währungsreform im Jahre 1949 zeugten nur noch wenige Trümmer von den vergangenen Ereignissen.

Das Kriegsende verschlug 200 Flüchtlinge aus Deutschlands Osten in das Dorf. Fleißige Leute, von denen etliche in Mittelbuchen ein neues Zuhause gefunden und unermüdlich am Wiederaufbau des Dorfes mitgeholfen haben. In Gemeinschaftsarbeit wurde das 1. Hessische Dorfgemein-schaftshaus gebaut und konnte zum Zeichen der Weiterentwicklung im August 1953 den Bürgern übergeben werden.

In die Grundmauern sind die Worte „Einigkeit, Frieden und Wohlstand“ eingemauert.

Einigkeit
eine Grundlage für unser Leben in der Familie, in der Gemeinde, im Staat, in der Gemeinschaft der Völker und der Nationen.

Frieden
alle Menschen dieser Erde sehnen sich danach, um endlich ohne Furcht leben zu können.

Wohlstand
wo Einigkeit und Frieden zusammenstehen, entwickelt sich Wohlstand. Wo keine Furcht und Angst herrscht, leben Menschen zufrieden und haben Perspektiven für die Zukunft.

Mit einem 3 Tage dauernden Fest wurde wurde am 15., 16., und 17. August 1953 die Einweihung gefeiert. Zum Bau dieses Hauses wurden durch Männer und Frauen annähernd 4.000 freiwillige Arbeitsstunden geleistet. Neben verschiedenen Sondereinsätzen sind durch die ortsansässigen Landwirte insgesamt 184 Fahrten mit Gespannfahrzeugen durchgeführt worden. Baumaterial wie Holz, Steine, Sand, Zement etc. mußte angefahren werden. Eine Wasserleitung gab es damals auch noch nicht. Also mußte zur Versorgung ein Brunnen gegraben werden.

Jeder Einwohner sollte einen freiwilligen Arbeitseinsatz bis zu 24 Stunden erbringen. 15 Einwohner leisteten zwischen 24 und 30 Stunden, 8 weitere mehr als 30 Stunden und August Wolf aus der Bruchköbeler Straße (heute Lützelbuchener Straße) erbrachte 70 Arbeitsstunden für die Allgemeinheit.

Wohlgemerkt, diese Leistungen wurden zusätzlich zur täglichen Arbeit erbracht. Die Menschen der Nachkriegsjahre legten somit ein Zeugnis von echter Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit ab.

Später erhielt das Haus nach seinem Förderer, dem Hessischen Staatsminister für Wirtschaft und früheren Hanauer Oberbürgermeister Heinrich Fischer, den Namen Heinrich-Fischer-Haus.

Unermüdlich wurde gearbeitet. In den Jahren 1958 - 1959 wurde eine zentrale Wasserversorgungs-Anlage geschaffen. Mittelbuchen bekam eine Wasserleitung. Eine Kanalisation mit der dazugehörenden Kläranlage wurde 1966 gebaut. Ende der 60er Jahre wurden alle Straßen, die durch die Bauarbeiten beschädigt wurden, mit einer Asphaltdecke versehen. Neue Häuser wuchsen aus dem Boden. Dabei wurde der dörfliche Charakter bewahrt, Hochhäuser findet man in Mittelbuchen nicht.





 

Aus dem Protokoll des Gemeinde-Schulvorstandes vom 28. März 1961 ist zu entnehmen, daß in Mittelbuchen eine neue dorfeigene Schule gebaut werden sollte. Das geplante Vorhaben wurde von der Landesregierung abgelehnt und dafür der Bau einer Mittelpunktschule zusammen mit der Gemeinde Wachenbuchen empfohlen. Die archaischen Strukturen der Dorfschulen waren nicht mehr aktuell und mußten geändert werden. Das neue Zauberwort hieß Mittelpunktschule.

Eine erste gemeinsame Aussprache mit Vertretern aus Wachenbuchen fand im Februar statt. Viele weitere Gespräche folgten. Der Kosten-voranschlag wurde den Gemeinden von der Regierung zugestellt, die die Kosten für den Schulneubau auf 1, 6 Millionen DM veranschlagt hatte.

- Es wurden dann aber doch 2,6 Millionen DM. - Wenn man zu dieser Summe nochmals die Reparatur-, Erhaltungs- und Sanierungskosten miteinbezieht, ebenso wie die Personal- und Sachkosten, die Ausstattung der Schule mit Lehr- und Lernmitteln, so wurde bis zum 25jährigen Bestehen der Schule im Jahre 1994 der Betrag von 30 Millionen DM ausgegeben. Eine stolze Summe für die schulische Ausbildung unserer Kinder.



Am 13. Januar 1969 war es endlich soweit. 317 Schülerinnen und Schüler nahmen ihre neue Mittelpunktschule in Besitz. Rektor wurde Walter Buckard, der die Schule bis zu seiner Pensionierung fast 25 Jahre zum Wohle der Schüler und im Interesse der Eltern geführt hat. Bei der Namensgebung waren sich die Bürger von Wachenbuchen und Mittelbuchen schnell einig: „Büchertalschule“ soll die neue Schule heißen. Hatte sich doch in ihren Köpfen die Hoffnung gehegt, beide Gemeinden werden sich zu einer Doppelgemeinde zusammenschließen. Doch noch im gleichen Jahr erklärte der damalige Landrat Martin Woythal, das bis dato favorisierte Konzept der Mittelpunktschule sei überholt. Die Zukunft gehöre der Gesamtschule. So war das also mit der Bildungsreform der sich unmittelbar auch die Gebiets- und Verwaltungsreform anschloß.

Ein junges Menschenkind stand in Mittelbuchen im Rampenlicht. Gabi Heilmann aus der Guldenstraße 11, wurde am 25. April 1963 als 100.000ster Bürger des damals noch bestehenden Landkreises Hanau geboren. Aus den Händen von Landrat Voller erhielt ihre Mutter die Ehrenurkunde überreicht.

Im Umland wuchs „auf der grünen Wiese“ das Angebot der Geschäfte und Märkte. Das hat die ortsansässigen Handwerker und Geschäftsleute mehr und mehr getroffen. Ein Betrieb nach dem anderen wurde geschlossen.

Die Menschen arbeiteten nicht mehr auf dem Land, sondern in den Fabriken in der Stadt. Man ging nicht mehr zu Fuß, und man fuhr auch nicht mehr mit dem Rad. Der Mensch motorisierte sich. Mit dem Auto, immer schöner und größer wurden diese, wurden die Entfernungen schneller. - In unmittelbarer Nähe führt heute eine Autobahn mit direktem Anschluß in die weite Welt. - Was man zum täglichen Leben benötigte, wurde von außerhalb mitgebracht. Wer wollte nach Feierabend noch am Ort einkaufen? Die neue Losung hieß Freizeit.

Anfang der siebziger Jahre kam die Zeit der Gebietsreform auch nach Mittelbuchen. Wohin sollte man sich wenden? Sollte man sich anschließen an Bruchköbel? Oder gemeinsam mit Wachenbuchen einen Ort gründen mit dem Namen Büchertal? Oder wie schon früher, ganz einfach Buchen? Mit einer Stimme Mehr-heit wurde entschieden, daß sich Mittel-buchen an Hanau an-schließt. Am 3. Novem-ber 1971 wurde im Rathaus in Mittelbuchen der Auseinandersetzungsvertrag für die Eingliederung von Mittelbuchen in die Stadt Hanau unter-zeichnet. Dieser bedeutende Akt wurde besiegelt auf Hanauer Seite durch Oberbürgermeister Dröse, Bürgermeister Martin und auf Mittelbuchener Seite waren es Bürgermeister Fehlinger und der 1. Beigeordnete Philipp Puth.


Am 1. Januar 1972 fand mit dem Austausch der alten Ortschilder die Eingemeindung in die Stadt Hanau seinen Vollzug. Viele Hände wurden unter den alten und neuen Schildern von wichtigen Leuten geschüttelt. Es war schon ein großes Ereignis.

Mittelbuchen war nun „Stadt“ und die Bürger konnten davon profitieren. Straßen wurden erneuert, Bäume gepflanzt und Blumenkübel aufgestellt. Die alten Fachwerkhäuser wurden restauriert und Mittelbuchen nahm in den folgenden Jahren erfolgreich teil am Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“.

Schon bald nachdem Mittelbuchen Stadtteil von Hanau war, wurde der „Schwaberg“ erschlossen. Aus der Hand von Oberbürgermeister Martin erhielten die Eheleute Huth, Am Schwaberg 41, ihre Baugenehmigung mit der Nr.1/72 vom 21. Januar 1972, überreicht.

Es folgte der „Kirchberg“ und in jüngster Zeit Richtung Norden das Baugebiet „Am Simmichborn“. Der liebenswerte Charakter von Mittelbuchen hat den Ort zu einem bevorzugten Wohngebiet gemacht. Die Menschen sind freundlich, aufgeschlossen und hilfsbereit.

In den 70er Jahren hat der Bauwahn dann teilweise seinen Höhepunkt erreicht. Alles mußte neu sein. Altes und Historisches zählte nicht mehr. Das alte Rathaus wurde 1973 abgerissen.

Mittelbuchen: Der Kirchberg aus der Vogelperspektive. Luftaufnahme von A. Gimplinger

 

Zum Leidwesen der Bürgerschaft fiel auch das historische „Gasthaus zur Krone“ der Abrißbirne zum Opfer. Vorausgegangen war allerdings, daß die letzte Besitzerin, die im Alter von 90 Jahren verstarb, das Erbe nicht geregelt hatte. Behördliche Auflagen erforderten Millionen, um das Gebäude zu retten. Dieses Geld hatte keiner, und in der Erbteilung wurde das Anwesen zum Abbruch verkauft. Am 27. März 1980 rückten die Bagger an, um ihr Werk zu vollbringen. Vorher mußte „Die Krone“ jedoch erst durch die Polizei von sogenannten „alternativen Besetzern“ geräumt werden, die in den alten Mauern ein „Kulturzentrum“ einrichten wollten.


















Gastwirtschaft Krone

In festlichem Rahmen wurde am Abend des 16. Januar 1987 die neue Mehrzweckhalle ihrer Bestimmung übergeben. „Für Mittelbuchen ist uns nichts zu teuer,“ sagte der damalige Oberbürgermeister Hans Martin im Zusammenhang der entstandenen Mehrkosten. In seiner Rede bezeichnete er den insgesamt 5,2 Millionen DM teueren Bau als „einen Gewinn für Mittelbuchen“. Für die Vereine sprach der Vorsitzende des TV Mittelbuchen, Karl Stroh, der betonte, „daß Mittelbuchens Bürger auf ihre neue Halle stolz sein können.“ Die Mehrzweckhalle ist heute Bürgertreff und Mittelpunkt des „sportlichen und kulturellen Lebens“.

Wie geht es weiter, was bringt uns die Zukunft?“, fragen sich die Mittelbücher. Die Tankstelle schließt zum Jahresende 1997. Und was wird mit dem Lebensmittelmarkt, werden wir noch ein Postamt haben? In jedem Falle jedoch wird im Jahr 1998 damit begonnen, eine Erdgasleitung zu verlegen um die Häuser in Zukunft umweltfreundlich mit Energie zu versorgen.


- Seitenende -